
Homeoffice zur Produktivitätssteigerung?
Vor einiger Zeit haben Nicholas Bloom und James Liang eine Feldstudie in einer der erfolgreichsten Reiseagenturen Chinas durchgeführt. Der Hauptsitz in Shanghai mit seinen Büroflächen war teuer und die Mitarbeiter mussten durch die hohen Wohnungsmieten der Innenstadt in die Randbezirke ziehen. Durch die langen Anfahrtswege resultierten häufiger Verspätungen und erhöhte Fluktuationsraten der Mitarbeiter. Um die betriebswirtschaftlichen Kosten zu senken und die Talente an das Unternehmen zu binden, wurde den Mitarbeitern Homeoffice vorgeschlagen. Die Ergebnisse gelten bis heute, als beliebte Argumentationsgrundlage für Homeoffice-Befürworter. Die Vorteile überwogen deutlich. Die Arbeitszeit erhöhte sich, die Produktivität stieg an, es wurde weniger Urlaub beantragt, es gab weniger Krankheitstage und die Mitarbeiter-Fluktuation verringerte sich um 50 Prozent.
Entgegen der Erwartungen der Arbeitgeber wurde festgestellt, dass sich das „Commitment“ der Mitarbeiter zum Unternehmen erhöht. Durch die Isolation im Homeoffice konnten sich die Mitarbeiter besser konzentrieren, aber bauten zu dem nun fehlenden Büroalltag und Kollegen die emotionale Bindung weiter aus. Es empfiehlt sich, Homeoffice zur Verfügung zu stellen, aber nicht zu verpflichten. Der Wechsel zwischen Büro und mobilen Arbeiten ist entscheidend. Die Hans-Böckler-Stiftung forschte zusammen mit der Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) intensiv über das Für und Wider von Homeoffice und kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Die negativen Seiten
Es gibt natürlich auch negative Seiten bei der mobilen Arbeit. Laut des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sammeln Mitarbeiter im Homeoffice nahezu doppelt so viele Überstunden an, als im Büro. Nicht zuletzt durch das subjektive Gefühl, dem Chef und Kollegen im Office beweisen zu müssen, dass man auch zu Hause produktiv ist.
Dazu 3 verschieden Studien:
Studie 1:
Die AOK führte eine Studie durch, bei der 2000 Beschäftigte zwischen 16 und 65 Jahren zum Thema Homeoffice befragt wurden.
Die Ergebnisse:
- 74 Prozent der befragten Mitarbeiter, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, fühlen sich erschöpft. (Bei Büromitarbeitern lag der Anteil „nur“ bei 66 Prozent).
- Im Homeoffice tätige Angestellte klagen häufiger über Nervosität, Lustlosigkeit, Schlafstörungen und Selbstzweifel.
- Auch zeigten sich deutliche Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben: Jeder dritte Mitarbeiter mit Homeoffice verlegt seine Arbeitszeit häufig auf den Abend oder in das Wochenende. Jeder Fünfte sah genau darin ein Problem, weil Erholung fehlte.
Studie 2:
Ioana C. Cristea, Paul M. Leonardi untersuchten als wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität California-Santa Barbara (UCSB) den Homeofficeprozess im Kontext der Mitarbeiterbelastung.
Die Ergebnisse:
- Frauen und Männer spüren bei der Heimarbeit einen höheren Leistungsdruck, um beruflich aufzusteigen.
- Es entsteht ein besonders hohes Risiko für sogenannte Remote-Mitarbeiter ein Burnout zu erleiden.
- Um den fehlenden Kontakt zu Vorgesetzten zu ersetzen, steigern Arbeitnehmer ihr Arbeitspensum und ihre Erreichbarkeit.
- Das Zeigen von Engagement sei aus dem Homeoffice deutlich schwieriger und verlange mehr Kraft- und Zeitaufwand, urteilen die Experten.
- Die Work-Life-Balance ist in der Heimarbeit gefährdet.
Studie 3:
Die Recruiting-Firma AVANTGARDE EXPERTS führte eine Befragung zum Thema Heimarbeit durch.
Die Ergebnisse:
- Jeder vierte Befragte glaubt, dass sich die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten positiv auf sein Arbeitsleben auswirkt.
- Arbeit und privates verschwimmen, da beim Homeoffice die klare Trennlinie zwischen Arbeit, Pause und Feierabend fehlt. Zudem fehlt auch die räumliche Distanz zum Abschalten.
- Es wird mehr Selbstdisziplin und Selbstorganisation abgefordert, da es mehr, auch teils private, Ablenkungsmöglichkeiten gibt und die Kontrolle durch Kollegen und Vorgesetzte fehlt.
- Es besteht die Gefahr der Sozialen Vereinsamung durch fehlende zwischenmenschliche Interaktionen und Kommunikation.
- Die Kommunikationswege verlängern sich. Der Zeitaufwand erhöht sich und somit häufen sich Missverständnisse.
- Es entsteht die Gefahr des „Karriereknicks“. Durch die Präsenzkultur in deutschen Unternehmen spielen neben der Arbeitsleistung, eine gute Vernetzung innerhalb der Firma und Sympathiepunkte eine nicht unerhebliche Rolle beim Karrieresprung.
Homeoffice Mitarbeiter anfälliger für Social Engineering?
Die Studien zeigen, dass durch Homeoffice Isolation, Unaufmerksamkeit, Kommunikationsprobleme und Sorgen entstehen können. Dies alles sind Angriffspunkte für „Social-Engineerer“. Ob per Phishing-Mail oder durch die direkte Kontaktaufnahme mit dem Mitarbeiter. Durch die Umstände, die das Homeoffice–Arbeiten mit sich bringt, sind die idealen Bedingungen für einen Angriff durch Social Engineering geschaffen. Durch die Unaufmerksamkeit, dem fehlenden Kontakt zur Firma und Selbstorganisation schwindet das Sicherheitsbewusstsein des Mitarbeiters. Das Private wird mit dem beruflichen vermischt. E-Mail Anhänge werden mit weniger Vorsicht behandelt. Das ungesicherte, private WLAN wird genutzt oder gar externe Programme auf den Firmenrechner geladen, um den Arbeitsprozess zu erleichtern. Durch die Isolation und teils einhergehender Vereinsamung erhöht sich die Motivation sich mit anderen Leuten, auch über soziale Medien auszutauschen und eventuelle Firmengeheimnisse und personenspezifische Daten unbeabsichtigt preiszugeben. Auch die Ängste und der Gefühlszustand des Mitarbeiters können gegen ihn verwendet werden. Durch Einflussnahme und Manipulation kann so beispielsweise Malware auf das Endgerät eingeschleust oder Informationen abgegriffen werden.
Fazit
Die Digitalisierung nimmt zu und verändert den Arbeitsalltag. Unter anderem nimmt das mobile Arbeiten zu, auch bereits vor der Corona-Pandemie. Viele Arbeitnehmer schätzen die Flexibilität der Telearbeit von unterwegs oder Zuhause, die beispielsweise eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich bringt. Für die Work-Life-Balance und die Sicherheitsarchitektur hat mobiles Arbeiten jedoch nur dann Vorteile, wenn es den Mitarbeitern gelingt, Beruf und Freizeit trotz mobiler Telearbeit klar voneinander zu trennen und somit das notwendige „Sicherheitsbewusstsein“ zu bewahren.
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